EINE PEINLICHKEIT UND EKLATS TRüBEN DIE HALBFINALS IM SCHWEIZER FUSSBALL-CUP

Die Super League pausiert vor dem Beginn der Championship und der Relegation Group, dieses Wochenende stand im Schweizer Spitzenfussball im Zeichen des Cups. Die Halbfinals wurden zur Prime Time ausgetragen – und am Samstag durch eine Peinlichkeit getrübt, die ein schlechtes Licht auf den Verband, die Liga und den Wettbewerb wirft. Man kann zum Videobeweis stehen, wie man will, aber es ist eine Farce, wenn der VAR im einen Halbfinal zum Einsatz kommt und im anderen nicht – weil er laut Regelwerk nur in Super-League-Stadien aufgeboten wird.

Der Challenge-League-Leader FC Sion erlebte am Samstag zwar ein Volksfest in faszinierender Ambiance, das Tourbillon war erstmals seit 2015 und dem Europa-League-Heimspiel gegen den FC Liverpool ausverkauft. Aber er verlor gegen Lugano 0:2, und seine Exponenten regten sich fürchterlich über den Schiedsrichter Urs Schnyder auf. Der Präsident Christian Constantin tobte und liess bei seinem Ärger wieder einmal jeglichen Anstand vermissen: «Wir hatten den zwölften Mann in Form des Publikums, Lugano mit dem Schiedsrichter.»

Walliser Ärger, Tessiner Stolz

Schnyder habe das Spiel mit seinem ungerechten Urteil entschieden, sagte Constantin, der Schiedsrichter solle seinen Platz einem Jüngeren mit Potenzial überlassen, der keine Spiele verfälsche. In seinem Zorn erinnerte sich Constantin an angebliche Eckballentscheide Schnyders gegen den FC Sion in einer Partie in St. Gallen. Der Präsident jammerte über generelle Benachteiligungen und sagte sogar, der Schiedsrichter müsse exekutiert werden – wobei er damit meinte, dass Schnyder keine Spiele mehr leiten dürfe.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatte Schnyder nach einem Zweikampf zwischen dem Sittener Cristian Souza und Luganos Ousmane Doumbia einen Elfmeter für die Gäste gepfiffen. Es war ein sehr diskutabler Entscheid, der VAR hätte die Szene mit grösster Wahrscheinlichkeit anders beurteilt. So stellte das 2:0 des FC Lugano den kämpferischen Wallisern den Strom frühzeitig ab.

Am Ende blieb dem FC Sion in seinem Lieblingswettbewerb nur das Lamentieren, während der FC Lugano in hitziger Atmosphäre im Stil eines Spitzenteams zum dritten Mal in Serie in den Cup-Final einzog. «Das ist eine unglaubliche Bilanz, auf die wir stolz sind», sagte der Trainer Mattia Croci-Torti. «Wir haben in den schwierigen Momenten die Ruhe bewahrt und mit Köpfchen gespielt.»

Und so ist dieser FC Lugano auf dem besten Weg, sich – fast unbemerkt von der Deutschschweizer Öffentlichkeit – als nationales Spitzenteam und als zweite Kraft neben dem Primus YB zu etablieren. «Wir müssen gross denken», sagte der Schweizer Nationalspieler Renato Steffen kürzlich. «Und Titel zu gewinnen, ist der beste Weg, gross und erfolgreich zu sein.»

In der Liga liegt der FC Lugano fünf Runden vor dem Saisonende sechs Punkte hinter dem Leader und Meister YB, am übernächsten Wochenende kommt es in Bern zum Gipfeltreffen. Auf dem Kunstrasen in Bern hat Lugano in den letzten drei Jahren die einzige Niederlage im Cup erlitten – im Final vor einem Jahr gegen YB (2:3). 2022 hatte der FC Lugano den Pokal zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte gewonnen.

Nun, am 2. Juni im 99. Schweizer Cup-Final, wird er gegen Servette Favorit sein. Das Tessiner Team ist eingespielt und klug und teuer zusammengestellt; in Zan Celar und Renato Steffen weiss es den vielleicht besten Stürmer und den auffälligsten Fussballer der Super League im Kader. Der Klub beweist, was mit ruhiger, kontinuierlicher, nachhaltiger Arbeit möglich sein kann – und ist damit eine Art Antithese zu den zuletzt fast schon notorisch vom Chaos begleiteten Klubs FC Basel, FC Zürich und GC.

In Winterthur stürmen Fans beider Teams den Rasen

Am Sonntagnachmittag, im Halbfinal zwischen dem FC Winterthur und Servette, hätte der VAR zur Anwendung kommen dürfen. Aber er wurde auf der ebenfalls ausverkauften Schützenwiese nicht benötigt. Im Duell der beiden Überraschungsteams der Super League entwickelte sich ein Abtasten und schliesslich ein Abnützungskampf, weil das zuletzt in der Liga nicht mehr überzeugende Servette vorsichtiger auftrat als gewohnt und keine gefährlichen Umschaltsituationen zulassen wollte.

Die Geduld des Genfer Teams zahlte sich aus. Mit dem einzigen Schuss aufs Tor der Winterthurer gelang Timothé Cognat in der 88. Minute das Siegtor zum 1:0. Der Franzose ist einer der prägenden Mittelfeldspieler in der Super League und fliegt für viele ein wenig unter dem Radar. Damit darf Servette weiter vom ersten Titel seit dem Cup-Sieg 2001 träumen. Der glücklose FC Winterthur dagegen hat auch den fünften Cup-Halbfinal seit 2006 verloren und wartet weiter auf die dritte Teilnahme am Final nach 1968 und 1975 – sowie auf den ersten Titelgewinn seit der Meisterschaft vor 107 Jahren.

Auch der zweite Halbfinal verlief nicht ohne unrühmliche Zwischenfälle und nicht ohne Eklat. Nach dem Schlusspfiff waren Anhänger beider Teams auf dem Rasen, wobei von Servette-Supportern zwei Fackeln in die Winterthurer Fanblocks geworfen wurden. Die Anhänger mussten von Spielern und Trainern davon überzeugt werden, das Feld zu verlassen. Auch in diesem Fall müssen sich die Organisatoren Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel, warum es den teilweise vermummten und aggressiven Fans möglich war, das Spielfeld zu betreten.

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