ERST GERADE WURDE ER VATER, NUN SKORT KEVIN FIALA BEREITS – DIE SCHWEIZER EISHOCKEYANER HABEN AN DER WM FAST DAS BESTMöGLICHE KADER BEISAMMEN

Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft ist beinahe perfekt in die A-Weltmeisterschaft in Prag und Ostrava gestartet. Auf die beiden erwarteten Erfolge gegen Norwegen (5:2) und Österreich (6:5) folgte am Montag im dritten Gruppenspiel gegen den Gastgeber und Mitfavoriten Tschechien ein 2:1-Sieg im Penaltyschiessen. Matchwinner in der intensiven Partie war Kevin Fiala, der die Schweizer im ersten Drittel in Führung schoss und später im Penaltyschiessen ein zweites Mal traf.

Der 27-jährige Ostschweizer mit tschechischen Wurzeln war erst Stunden vor dem Match in Prag angekommen und mehr oder weniger direkt aus dem Flugzeug in die Eishockey-Ausrüstung gestiegen. Wenige Tage zuvor hatte seine Gattin ein Kind zur Welt gebracht. Fialas erste Gedanken nach dem Match vor den Kameras des Schweizer Fernsehens galten Frau und Tochter.

Fiala absolvierte diese Saison für die Los Angeles Kings in der NHL; er hat in 87 Partien 30 Tore erzielt und 45 weitere vorbereitet. Fiala ist der sechste Spieler im Schweizer WM-Team, der sein Geld in Übersee verdient, und veredelt das ohnehin beträchtliche Offensivpotenzial in der Mannschaft des Trainers Patrick Fischer. Wann immer das Nationalteam ruft: Kevin Fiala ist da.

Das Who is who des Schweizer Eishockeys

Nach dem Zuzug Fialas steht Fischer und seinem Betreuerstab in Prag so etwas wie das Who is who des Schweizer Eishockeys zur Verfügung. Von den potenziellen Fixstartern fehlt einzig Denis Malgin. Der Stürmer der ZSC Lions mit Vergangenheit in der NHL zog sich im letzten Finalspiel gegen den Lausanne HC eine Knieverletzung zu und musste deshalb auf die Reise nach Tschechien verzichten.

Neben den derzeitigen NHL-Profis haben aus dem Schweizer Kader sechs weitere Spieler schon Erfahrungen in der wichtigsten Liga der Welt gesammelt. Besser war Fischers Team seit dem Olympiaturnier 2018 in Pyeongchang nie mehr besetzt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Realistischer als in diesem Jahr war es schon lange nicht mehr, von einem Schweizer Medaillengewinn zu sprechen.

Die Stimmung rund um das Nationalteam hat sich in den letzten Tagen markant verändert. Grösser könnte die Diskrepanz zu den Testspielen nicht sein, in denen die Schweizer 13 Niederlagen aneinandergereiht hatten. In jener bedeutungslosen Phase war der Druck auf Fischer von Niederlage zu Niederlage gewachsen.

Die Teamführung von Swiss Ice Hockey um den Sportdirektor Lars Weibel hatte sich demonstrativ hinter den Coach gestellt. Mehrfach wiederholte sie, man sei auf dem richtigen Weg, und drängte auf eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Fischer bis zur Heim-WM 2026 in Zürich und Lausanne.

Die Rhetorik des «richtigen Weges» nützt sich ab, wenn sich eine Niederlagenserie einstellt. Dass die Rhetorik nicht grundsätzlich falsch war, zeigt der geglückte Start in die WM. Der Match gegen Tschechien war so etwas wie ein erster echter Test. Die Qualität des Gegners war hoch wie nie mehr seit der letzten WM. Und die Schweizer bestanden diese Prüfung gegen den physisch starken Widersacher.

Im Vergleich zum Match gegen Österreich zeigten sie sich defensiv massiv verbessert. Leonardo Genoni vom EV Zug erhielt im Tor den Vorzug gegenüber Akira Schmid von den New Jersey Devils und lieferte den Beweis dafür, dass NHL-Erfahrung nicht das einzige Qualitätsmerkmal ist. Mit 36 Jahren ist der Zürcher noch immer der verlässlichste Wert unter den Schweizer Goalies.

Doch Grund zu vorschneller Euphorie gibt es nicht. Ähnlich fulminant wie nun in Prag waren die Schweizer Eishockeyaner auch in die letzten beiden WM-Turniere gestartet. Vor einem Jahr überstanden sie die Gruppenphase ungeschlagen, ehe sie im Viertelfinal am späteren Silbermedaillengewinner Deutschland scheiterten. Gewonnen ist auch heuer noch nichts.

Erinnerungen an Sean Simpson, den Lieblingsbriten

Für die Schweizer geht das Turnier am Mittwochabend mit der Partie gegen den Aufsteiger Grossbritannien weiter. Die Briten sind eigentliche Eishockey-Exoten und starteten mit zwei Niederlagen gegen Kanada und Finnland ins Turnier. Dabei bildeten sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts zumindest in Europa noch eine eigentliche Eishockey-Macht.

1910 gewannen sie die erste EM vor Deutschland, Belgien und der Schweiz. Auf die Teilnahme am Olympiaturnier 1932 in Lake Placid verzichteten die Briten zwar aus Kostengründen, aber vier Jahre später in Garmisch-Partenkirchen errangen sie Olympiagold, nachdem in Nazi-Deutschland sämtliche Partien gegen aussereuropäische Teams aus der Wertung gestrichen worden waren. Auf dem Weg zum Turniersieg fügten die Briten den Kanadiern die bis dahin erste Niederlage an Olympischen Winterspielen zu.

Doch das sind Ereignisse aus einer längst verblassten Zeit. Heute spielen die Briten im internationalen Eishockey keine Rolle mehr. In der NHL waren zuletzt unter den 18 registrierten Nationalitäten ein Australier, ein Niederländer, ein Österreicher und ein Slowene zu finden, aber ein Brite fehlte, auch wenn viele Kanadier und Amerikaner britische Vorfahren haben dürften.

Der berühmteste und in der Schweiz wohl auch populärste britische Eishockeyspieler dürfte Sean Simpson sein, der 1960 in Essex geboren wurde und die Schweiz als Coach 2013 zu WM-Silber geführt hat. Patrick Fischer stand damals als Assistent in Simpsons Staff.

Der Vergleich mit Grossbritannien müsste für Fischers Team eine Formsache sein, als Zwischenstation auf dem Weg in die Viertelfinals. Einen Spieler vom Format Kevin Fialas sucht man im britischen Aufgebot vergeblich.

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