FüR EINEN ECHTEN HEIMVORTEIL KöNNEN IM HOCKEY NUR FRAUEN SORGEN

Es gibt keinen einwandfreien statistischen oder wissenschaftlichen Beweis für die Existenz eines echten Heimvorteils im Eishockey. Schon gar nicht, wenn es um Titel und ewigen Ruhm geht. Die ZSC Lions sollten deshalb Beatrice Egli als Sängerin für die Nationalhymne engagieren.

Heimvorteil? Ja klar! Im Final haben die ZSC Lions und Lausanne bisher ihre Heimspiele gewonnen. Doch das sagt nichts über den Ausgang des 7. und letzten Finalspiels am Dienstag in Zürich aus. Es gibt keinen Heimvorteil.

Seit der Einführung der Playoffs (1986) sind Lugano (1986, 1990, 1999), der SC Bern (1989, 1991, 1992, 1997, 2004, 2016, 2017), Davos (2002, 2009, 2011, 2015), die ZSC Lions (2001, 2012, 2014, 2018), Zug (1998) und Kloten (1996) auswärts Meister geworden. Das bedeutet: 20mal hat das Auswärtsteam den Titel geholt. 17mal das Heimteam (2020 keine Playoffs). Bei einem 7. Finalspiel steht es in dieser Statistik unentschieden

Im finalen Stadium des Dramas – eine gute Ausgangslage für die ZSC Lions

Selbst die Annahme, dass eine Mannschaft vom Publikum aufgeputscht wird und den Gegner «überrollt» lässt sich wissenschaftlich nicht erhärten: Im aktuellen Final lautet das Torschussverhältnis dreimal zu Gunsten des Auswärtsteams, zweimal hat die Heimmannschaft mehr Pucks aufs gegnerische Tor gebracht und am Samstag in Lausanne kam es zu einem Unentschieden (32:32).

Allerdings hat es im aktuellen Final zumindest einen gefühlten kurzen Moment des Heimvorteils für die ZSC Lions gegeben: Die Schwalbe von Andrea Glauser weckte am Donnerstag so sehr den Zorn des Publikums, dass sich die Energie auf die Spieler übertragen haben muss: Die Zürcher dominierten den entsprechenden Spielabschnitt (das 2. Drittel) mit sage und schreibe 15:1 Torschüssen und machten im 5. Spiel aus einem 0:0 ein 2:0.

Es braucht offensichtlich ein Ereignis, um das Publikum richtig aufzuwecken. Dafür eignet sich schiedsrichtertechnisches Unrecht bestens. Erst recht, wenn es in der Wiederholung auch noch auf dem riesigen Videowürfel sichtbar wird. Lauter als nach der Schwalbe von Andrea Glauser war es im Eishockey noch nie auf dem Platz Zürich. Auch nicht im alten Hallenstadion.

Aber es war halt die Reaktion des Publikums auf ein Ereignis auf dem Eis. Echter Heimvorteil wäre, wenn das Publikum solche Aktionen auszulösen vermöchte. Aber das ist nicht der Fall. Entscheidend ist nicht, ob es auf eigenem oder fremdem Eis um den Titel geht. Entscheidend ist, in welcher Verfassung und Form sich die Spieler befinden.

Nationaltrainer Ralph Krueger begründete bei der Heim-WM 2009 in Bern das Scheitern in den Gruppenspielen mit dem «Heimnachteil»: Zu viel Druck, zu viel Ablenkung. Der charismatische Kommunikator hatte für alles eine Ausrede. Aber da hatte er tatsächlich recht: Es gibt auch im internationalen Eishockey den Heimvorteil nicht. 1995 ist Finnland durch einen Finalsieg ausgerechnet gegen Schweden in Stockholm erstmals Weltmeister geworden und 2008 verlor Kanada auf eigenem Eis in Quebec den WM-Final gegen Russland.

Ein Spiel, zwei Perspektiven – Almond auf Wolke sieben, Baltisberger optimistisch

Die spektakulärste Finalniederlage im Welteishockey hat Kanada beim Canada Cup 1981 erlitten. Am 9. September 1981 überrollen die Kanadier im letzten Gruppenspiel die Sowjets 7:3. Sie haben gefühlt die spektakulärste Offensive ihrer Geschichte. Am Ende des Turniers sind die vier ersten Skorer des Turniers Wayne Gretzky, Mike Bossi, Brian Trottier und Guy Lafleur. Sie sammeln in 7 Partien 56 Skorerpunkte und erzielen 18 Tore. Gretzky wird mit 12 Punkten Topskorer. Aber den Final gewinnen die Sowjets am 13. September 1981 gegen die Kanadier in Montreal 8:1.

Den berühmten Hockey-Gipfel im Herbst 1972 («Summit Series»), die erste Konfrontation der Sowjets mit den NHL-Profi über 8 Spiele gewinnen die Kanadier durch ein 6:5 im letzten Spiel in Moskau. Bei 25 Olympischen Turnieren haben die Gastgeber nur dreimal Gold geholt: die USA (1960 und 1980) und Kanada (2010). Selbst die Kanadier (1988 Calgary/4.), die Amerikaner (2002 Salt Lake/2.) und die Russen (2014 Sotschi/5.) sind als Heimteam leer ausgegangen.

Es sind einzig und allein Frauen, die ausgerechnet in der Machokultur dieses rauen Spiels der Männer für den Heimvorteil sorgen. Wenn Kate Smith im Spektrum, dem Stadion der Philadelphia Flyers die US-Hymne intonierte, waren die Flyers fast nicht zu stoppen: Zwischen 1973 und 1985 feiern sie 100 Siege und gehen nur 29mal als Verlierer vom Eis. Ihr Einstand ist geradezu magisch: Sie singt die Hymne zum ersten Mal am 11. Oktober 1973 vor der Partie gegen Toronto. Am 16. Mai 1974 holen die Flyers im 6. Final mit einem 1:0 gegen Boston den Stanley Cup. Es ist der 35. Sieg in 37 Heimspielen, die Kate Smith singend eröffnet hat.

In der NHL wird vor allen Spielen die Hymne gesungen. Bei uns nur vor Finalpartien. Kate Smith wird im Jahr nach ihrem Tod 1987 vor dem Spektrum mit einer 2,4 Meter hohen Bronze-Statue verewigt. Seit dem Abriss des Stadions (2009) wird die Statue in einem Lagerhaus verwahrt.

Ganz offensichtlich ist also weibliche Magie der einzige wahre Heimvorteil. Das gilt auch für unser Hockey: Die Hymne wird vor dem 5. Finalspiel gegen Zug am 20. April 2019 im Berner Hockeytempel von Francine Jordi zelebriert. Der SCB gewinnt 2:1 und wird zum bisher letzten Mal Meister. Vor dem 7. Finalspiel am 1. Mai 2022 wird die Nationalhymne in Zug von der Sängerin Anna Nero vorgetragen. Zug gewinnt gegen die ZSC Lions 3:1 und wird Meister. Am 24. März 2024 wollte Marc Lüthi kurzfristig Francine Jordi für die Nationalhymne vor dem alles entscheidenden Spiel der Frauen-Meisterschaft in Bern aufbieten. Sie musste wegen Terminüberschneidungen absagen. Die Bernerinnen verloren gegen die Frauen der ZSC Lions 0:3.

Es könnte sicherlich helfen, wenn die ZSC Lions Beatrice Egli aufbieten oder Vreni Schneider zu einem Comeback als Sängerin überreden, um am Dienstag die Nationalhymne vorzutragen.

Mehr Eishockey

2024-04-28T18:14:20Z dg43tfdfdgfd