IM TEAM IN DIE GESCHICHTSBüCHER

Die Schweizer Staffeln haben mit drei Startplätzen für die Olympischen Spiele in Paris bereits Historisches geschafft. An der EM in Rom hofft Leistungssportchef Philipp Bandi auf eine Medaille.

Gut einen Monat ist es her, da sorgten die Staffeln in der Schweizer Leichtathletik für Jubel. An den World Relays auf den Bahamas qualifizierten sich mit den beiden Frauenstaffeln über 4x400 m und 4x100 m sowie der Mixed-Staffel über 4x400 m gleich drei Equipen für die Olympischen Spiele in Paris. Die 4x100 m-Staffel der Männer verpasste die Qualifikation auf der Karibikinsel denkbar knapp um fünf Tausendstelsekunden.

Für Philipp Bandi ist das nach wie vor eine hoch erfreuliche Nachricht. Und wenn der Leistungssportchef von Swiss Athletics das Adjektiv "historisch" wählt, um die Erfolge der Staffeln zu umschreiben, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher, dass Bandi damit keineswegs übertreibt.

Intakte Chancen

Dreimal (1952 in Helsinki, 1960 in Rom und 2021 in Tokio) starteten jeweils zwei Staffeln unter den olympischen Ringen, drei waren es noch nie. Und die Männerstaffel über 4x100 m hat noch bis zu den Schweizer Meisterschaften Ende Monat in Winterthur Zeit, sich das Ticket für Paris doch noch zu sichern. Allerdings muss das Quartett, das auf den Bahamas im zweiten Lauf in der Besetzung Enrico Güntert, Timothé Mumenthaler, Felix Svensson und William Reais antrat, dafür den Schweizer Rekord von 38,36 Sekunden unterbieten. Eine Marke, die seit der EM 2022 in München Gültigkeit hat. Philipp Bandi sagt: "Die Chancen sind intakt."

An der EM in Rom bietet sich nun die nächste Chance, sich über die Zeit in Position zu bringen, einen der beiden verbliebenen Startplätze zu ergattern. Am Dienstag stehen die Vorläufe an. Swiss Athletics ist mit je einer Frauen- und Männerstaffel sowohl über 4x100 m als auch über 4x400 m am Start. Auf den Mixed-Wettkampf, der am Freitagabend stattgefunden hätte, wurde verzichtet.

Doch nicht nur das mögliche Olympia-Ticket beschäftigt die Schweizer Staffel-Delegation, sondern sie will im Stadio Olimpico von Rom auch auf europäischer Bühne für Aufsehen sorgen. Bandi erwähnt die Faszination der Staffelwettbewerbe - dass eine eigentliche Einzelsportart zur Team-Sportart wird und ergo plötzlich ganz andere Faktoren als nur die besten Zeiten entscheidend sein könnten.

Hohe Leistungsdichte

Etwa die Wechsel von einer Athletin zur nächsten. "Das ist eine extrem wichtige Komponente, die einen grossen Zeitgewinn, aber auch einen grossen Zeitverlust zur Folge haben kann", sagt Bandi. Zudem seien nicht alle Läuferinnen und Läufer für jede der vier Positionen gleich gut geeignet. Was in die Staffelwettbewerbe ein eigenes taktisches Element hereinbringt.

An den World Relays auf den Bahamas nahmen viele Teams vom ersten zum zweiten Wettkampftag Wechsel vor und reagierten auch auf die Aufstellungen der gegnerischen Teams. "Wir wussten, dass wir würden taktieren müssen", sagt Bandi. Aber der Leistungssportchef findet dieses Element auch spannend.

Was die Staffelwettkämpfe zudem von den Einzelwettkämpfen unterscheidet, ist der ausgeprägte Team-Gedanke. Wie gut Athletinnen und Athleten damit umgehen können, wenn sie einmal nicht laufen dürfen und zuschauen müssen, ist für Bandi ein wesentliches Puzzleteil für den Erfolg. "Die Ersatzläuferinnen und Ersatzläufer haben eine extrem wichtige Rolle", sagt Bandi, wobei es nicht für alle gleich einfach sei, sich mit so einer Rolle abzufinden. Gerade bei der 4x100 m Staffel der Frauen, die Bandi nach den zahlreichen Erfolgen als die "Leuchtturmstaffel" bezeichnet, sei die Leistungsdichte so hoch, dass etwa neun Läuferinnen für die vier Startplätze in Frage kommen könnten.

Chance für die Jungen

Auch Mujinga Kambundji, die sich aktuell auf ihre Einzeldisziplinen fokussiert, stünde an den Olympischen Spielen wieder bereit. Bei dieser Staffel könne Swiss Athletics wirklich aus dem Vollen schöpfen, sagt Bandi. "Aber entsprechend müssen auch mehrere Athletinnen enttäuscht werden." Aber der 46-Jährige erwähnt auch, dass durch die Staffelwettbewerbe gerade junge Athletinnen Möglichkeiten erhalten, an Grossanlässen teilzunehmen, die sie im Einzel vielleicht noch nicht hätten.

Philipp Bandi spricht von Phasen, wenn er die Entwicklung der Staffeln betrachtet. Mal feiere die eine Erfolge, dann eine andere. Die Erfolge der 4x100 m Staffel der Frauen seien für die anderen aber schon Ansporn und Motivation gewesen. "Es ist toll, wie sich die Staffeln entwickelt haben", sagt Bandi. Und was liegt denn nun drin für sie in Rom? Der Leistungssportchef überlegt, wohl auch, ob das, was er im Kopf hat, zu forsch tönt. Doch dann sagt er es doch: "Eine EM-Medaille ist fällig." Es wäre die erste seit 1962 in Belgrad.

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