JETZT BLEIBT TRAINER MAGNIN NUR NOCH DER HUMOR ALS AUSWEG

Dank eines Wundertores und einer diskutierten Gelb-Roten Karte gewinnt YB gegen den FC Zürich 2:0. Damit können die Berner nächste Woche Meister werden.

Cedric Itten stapft im Letzigrund die Treppe hoch. Vom Rasen auf die Ebene, wo die Garderoben sind, mit diesem Geräusch, das Fussballschuhe auf Beton-Boden erzeugen. Sein Trikot trägt er nicht mehr, er hat es einem Mädchen geschenkt. In der Hand hält er den Deckel einer Schuhschachtel, es ist die Gegenleistung des Mädchens für das Trikot. Und als er merkt, dass auch die Innenseite dieses Deckels beschrieben ist, strahlt er noch etwas mehr: «Ich bin ein 9-jähriges Mädchen und ein Riesenfan von dir.»

Rund eine Stunde zuvor hat Itten mit seinem 2:0 den Deckel auf die Partie gegen den FC Zürich gelegt. Beim Jubel seines Tores hält er den Finger vor seine Lippen. Warum? «Wir hatten es als Team nicht einfach in den letzten Wochen», sagt er.

Zumindest resultatmässig waren die letzten Wochen durchaus erfreulich aus Berner Sicht: Vier der letzten sechs Spiele hat das Team des Trainers Joël Magnin gewonnen. Und weil gleichzeitig die Konkurrenz mehrfach gepatzt hat, ergibt sich für das nächste Wochenende folgende Konstellation: Gewinnt YB am Samstag zu Hause gegen Lugano und lässt Servette am Sonntag in St. Gallen Punkte liegen, feiern die Berner am Sonntag, ohne zu schwitzen, den 17. Meistertitel der Clubgeschichte.

Natürlich sind die Berner im Letzigrund auf die Fragen zu diesem Szenario gefasst. Trainer Magnin wählt den humoristischen Ausweg: «Ich war in der Schule schwach in Mathematik und kann auf solche Rechnereien nicht antworten.» Itten gibt den Staubtrockenen: «Wir schauen auf unser Spiel am Samstag gegen Lugano.» Nur Darian Males erlaubt einen kleinen Einblick: «Vielleicht gibts dann irgendwo einen Apéro.»

Gelb-Rote Karte hilft YB

Dass die Berner am Sonntag Meister werden können, drei Runden vor Schluss, hat erstens mit der Niederlage des FC Lugano gegen St. Gallen am Samstag zu tun. Und zweitens mit dem Berner Vortrag in Zürich, der vor allem in der zweiten Halbzeit gefällt. Die Young Boys lassen keine Zürcher Torchancen mehr zu, während sie selbst in Person von Itten immer und immer wieder vor FCZ-Goalie Yanick Brecher auftauchen.

Das alles erlaubt auch die Gelb-Rote Karte gegen Cheick Condé, die sich der 23-jährige Mittelfeldspieler in der 48. Minute abholt. Abholen ist deswegen der richtige Begriff, weil er für ein Foul die Gelbe Karte sieht, danach in Richtung des Schiedsrichters den Daumen hebt, dreimal in die Hände klatscht und dafür die zweite Gelbe Karte sieht.

Natürlich muss ein Berufsfussballer solche Gesten unterlassen. Aber sowohl die Zürcher Spieler als auch der neue FCZ-Trainer Ricardo Moniz haben zumindest ein Argument, wenn sie sagen, dass Schiedsrichter Luca Cibelli das Feingefühl für diese Szene fehlte. Die Berner jedenfalls machen aus der Überzahl eine Überlegenheit und könnten vor allem durch den eingewechselten Joel Mvuka oder Meschack Elia, der alleine vor Brecher auftaucht, weitere Tore erzielen.

Ganvoulas feiner Fallrückzieher

Das 1:0 erzielt Silvere Ganvoula kurz vor der Pause, mit einem Fallrückzieher der Marke Lehrbuch. Wie Itten hält er sich zum Jubel den Finger vor die Lippen. Allerdings vor der Südkurve, was diese derart aufbringt, dass sich auch die Zürcher Spieler einbringen und auf dem Rasen ein Rudel entsteht. Das Resultat dieser Zusammenkunft: Ganvoula sieht die Gelbe Karte und fehlt gegen Lugano gesperrt. Itten ersetzt ihn in der Pause – und für die schönste Einwechslung sorgt Magnin in der 70. Minute, als Kastriot Imeri nach acht Monaten sein Comeback gibt.

Magnin verändert sein Team im Vergleich zum 2:1-Sieg gegen den FC Winterthur auf zwei Positionen: Auf der rechten Abwehrseite spielt Saidy Janko anstelle von Lewin Blum, und in der Innenverteidigung kehrt Aurèle Amenda zurück. So aufgestellt gewinnt YB in dieser Saison im vierten Duell zum ersten Mal gegen den FC Zürich. Es ist das dritte Auswärtsspiel gegen die Zürcher, ein Resultat des neuen Modus.

In einem Interview bei SRF sagte der Liga-CEO Claudius Schäfer unlängst, kein Team habe sich darüber beschwert, dass nicht ganz alle Direktduelle mit gleich vielen Heim- wie Auswärtsspielen ausgeglichen werden konnten. Aber warum sollten sich die Berner darüber auch aufregen, bei acht Punkten Vorsprung nach 34 Runden und angesichts der Möglichkeit, nächstes Wochenende Meister werden zu können.

Einziger Wermutstropfen dieses Szenarios: Sollten die Young Boys den Titel tatsächlich am spielfreien Sonntag gewinnen, gäbe es nicht einmal einen beschriebenen Schuhschachteldeckel von den Rängen.

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