ZUM ERSTEN MAL AN EINEM GP – DER WAHNSINN VON MIAMI: UND PLöTZLICH LACHT MIR HAMILTON ZU

Einmal im Leben an einem Formel-1-GP live vor Ort mit dabei sein? Blick-Journalist Marco Mäder durfte in Miami den Stars ganz nah kommen.

Der Taxifahrer mustert mich durch den Rückspiegel. Dann lacht er. «Du bist sicher wegen des Rennens hier!» Erst ein Wort gesagt und schon als Touri entlarvt. «Ja, bin ich.» Ich lächle zurück, der Taxifahrer strahlt. «Es ist crazy! Ich gehe auch hin. Ich habe 1200 Dollar bezahlt für zwei Tickets für das Rennen am Sonntag.» Das sind umgerechnet etwa 1090 Franken. Ich schaue ihn mit grossen Augen an. «Ja, teuer, was? Das waren die günstigsten Tickets, die ich bekommen konnte. Es gab auch solche für bis zu 10'000 Dollar.»

Die Formel 1 ist in den Staaten populär wie nie. Der siebenfache Weltmeister Lewis Hamilton (39) sagt über die Motorsport-Königsklasse in den USA: «Früher war die Formel 1 hier einfach ein Event, der einmal im Jahr stattfand. Heute wird es als Sport angesehen. Und der Sport wächst und wächst.» Bis zu 300’000 Fans sind über das ganze Wochenende live vor Ort. «Miami ist im Ausnahmezustand», sagt mir der Mann an der Hotelrezeption. «Die ganze Stadt ist voller Formel-1-Fans.»

Und ein weiterer Taxifahrer erklärt, dass viele vom Event profitieren. Das GP-Wochenende sei für ihn extrem rentabel. «In diesen Tagen mache ich locker 700 bis 1000 Dollar.» Da ist ein F1-Ticket ja schon fast wieder günstig.

Ein Bier gibts für 11 Franken

An den Strassen in der Nähe der Strecke versuchen Anwohner, ihre Parkplätze an die Fans zu vermieten. «Die machen ordentlich Geld», meint der Taxichauffeur. «40 Dollar für einen Tag wäre günstig. Deshalb schreiben sie den Preis auch nicht auf die Plakate.»

Die Temperaturen sind hoch an diesem Wochenende. Wie so oft in Florida. Die Sonne brennt. Auf dem weitläufigen Areal wird Sonnencreme verteilt. Zudem gibt es gratis Trinkwasser. Für ein Bier (4,7 Deziliter) muss man umgerechnet 11 Franken zahlen, ein Eiskaffee kostet etwas mehr als sieben Franken. Ein Schinken-Sandwich oder einen Burger gibts für 22 Franken. Bei den VIPs gibts «Nachos der Extraklasse» für 160 Franken. Oder Hummer-Rollen für 400 Stutz. 

Die Medienleute sind in den Logen des Hardrock-Stadions platziert, wo sonst das Football-Team der Miami Dolphins spielt. Dort gibts Arbeitsplätze, TVs, Garderoben und Verpflegungsmöglichkeiten. Man hat von dort aus Zugang zum Fahrerlager, zum Paddock und zum Pressekonferenz-Saal.

Genau diesen Saal will ich aufsuchen, als es passiert: Plötzlich steht da Lewis Hamilton. Mit Sonnenbrille und ganz breiten Hosen. Die sind übrigens in Mode bei den Fahrern. Ist es ein Wettbewerb? Wer hat die breitesten Hosen?

Der Moment mit Hamilton

Ich mag Hamilton. Seine vegane Ernährung, sein Kampf für mehr Diversität. Und seine spezielle Handposition am Lenkrad beim Start. Und nun steht er mit seinen Betreuern direkt vor mir. Er ist auf dem Weg zur Pressekonferenz. Perfekt, denn da muss ich auch hin. Das Areal ist so riesig, dass jemand, der zum ersten Mal hier ist, durchaus Mühe haben kann.

Am Ende stehe ich mit dem siebenfachen Champion in einem kleinen Raum. Fast Kopf an Kopf. Ihn juckt es nicht die Bohne, mich schon. «Oh, I’m sorry», entschuldige ich mich. Daraufhin grinst er nur – mit seinen vielen glänzenden Ringen an den Fingern. Der Zugang zum Saal für die Journalisten ist eigentlich eine Tür weiter zu finden.

Erstaunlich, wie locker die Fahrer drauf sind. Zumindest an den Tagen, bevor es auf der Rennstrecke ernst wird. Sie laufen durch den Paddock, geben Interviews, lassen sich fotografieren, machen Selfies und geben Autogramme. Auch die Stars, die als Gäste vor Ort sind, wirken auf einmal wie normale Menschen. Ohne Bodyguards. Ohne Berührungsängste. 

Viele Stars, viel Hektik am Sonntag

Die Trainings verfolge ich an der Strecke. Für die wichtigen Sessions sitze ich an meinen Arbeitsplatz. Von 30 Grad draussen ins völlig runtergekühlte Medienzentrum. Die wichtigsten Informationen, mit allen Zeiten, der Lufttemperatur, der Bodentemperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Windstärke flimmern permanent über die vielen TV-Bildschirme. 

Wirklich hektisch wird es erst am Renntag. Da füllt sich der Paddock, draussen stehen die Fans lange an, um aufs Areal zu kommen. Auch die Fahrer wirken nun angespannter als an den Tagen zuvor – die Journalisten ebenfalls. Immer mehr Stars kommen rein, von Fotografen verfolgt. Patrick Mahomes beispielsweise mit Frau Brittany. Ed Sheeran. Oder auch Ex-Präsident Donald Trump. 

Kurz vor dem Start dürfen Medienschaffende und Prominente auf die Strecke. Auf der Start-Ziel-Gerade werden die Autos bereitgemacht. Es ist ein Gerangel. Alle wollen den besten Platz haben, alle wollen ganz nah bei den Boliden sein. Alle schiessen Foto um Foto. Nur die Fahrer, die sind im Tunnel, haben Kopfhörer drin, lassen sich vom Rummel nicht beeinflussen. 

90 Minuten – dann wird abgebaut

Und etwas mehr als 90 Minuten später ist der ganze Zauber auch schon wieder durch. Lando Norris (24, erster GP-Sieg) gewinnt das Rennen überraschend – vor Weltmeister Max Verstappen (26). Im Medienzentrum gibts dafür Applaus.

Und noch bevor Norris von Dolphins-Boss Tom Garfinkel die Trophäe überreicht bekommt, wird im Paddock bereits hart geschuftet. Das «Zuhause» der Fahrer der letzten vier Tage wird ratzeputz abgebaut. Die Journis hauen fleissig in die Tasten. Die Fotografen laden die besten Fotos auf ihre Systeme. Die TV-Leute gehen auf Interview-Jagd. Und die ersten Fans verlassen bereits das Areal, um dem vorprogrammierten Stau zu entgehen. 

Vier Tage war ich an der Rennstrecke. Ein Abenteuer, an das ich mich wohl für immer erinnern werde. Faszinierend, aufregend, überraschend – aber auch stressig und herausfordernd. 

Nach dem GP am Sonntagabend denke ich noch mal an den netten Taxifahrer, der für sich und seine Frau 1200 Dollar bezahlt und wohl noch immer ein Strahlen zwischen den Ohren hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch er das Spektakel genossen hat.

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