Der deutsche Handball-Goalie Andreas Wolff sieht nicht aus, als würde er seinen Fuss hoch über seinen Kopf strecken können. 1 Meter 98 ist er gross, ein bulliger Mann, der auch als Gewichtheber durchgehen könnte. Doch für seine Postur ist Wolff ungewöhnlich flink und beweglich. Er ist einer der besten Handball-Goalies der Welt. Und Wolff, 34 Jahre alt, ist das Schreckgespenst der Schweizer Angreifer.
An der Weltmeisterschaft in Herning in Dänemark traf die Schweiz zum dritten Mal innerhalb eines Jahres auf Deutschland, den favorisierten Erzrivalen. Vor einem Jahr in Düsseldorf hatte die Schweiz beim 14:27 eine krachende Niederlage erlitten. Wolff liess die Schweizer damals mit seinen Paraden verzweifeln. Der Nationaltrainer Andy Schmid, in Düsseldorf noch als Spieler auf dem Feld, mahnte deshalb, sein Team dürfe diesen Wolff auf keinen Fall «warmschiessen». Und: Der Goalie des THW Kiel gehöre sicher nicht zu den Lieblingsgegnern seiner Equipe.
Wolff bewies auch im WM-Duell in Herning seine Klasse. Mit dem Unterschied, dass das deutsche Team seine Paraden diesmal gebraucht hat. Die Schweizer Mannschaft brachte den Olympia-Zweiten an den Rand einer Niederlage, schnupperte lange an der Sensation.
Goalie Wolff sagte: «Eine Viertelstunde vor Schluss befürchtete ich, dass wir diese Partie verlieren.» Und schob nach, dass das Kleinreden der Schweizer Mannschaft die richtige Taktik des Nationalcoachs Schmid gewesen sei. Schmid hatte im Vorfeld immer wieder die deutliche Aussenseiterrolle der Schweizer betont. Und manch ein Spieler redete von den Deutschen als «Angstgegner».
Die Schweizer spielten in Herning vor allem in der Defensive stark, Mal für Mal stoppten sie den deutschen Rückraum, meldeten den hochveranlagten deutschen Spielmacher Juri Knorr phasenweise ab, störten das Spiel über den Kreis. Hinzu kam der Schweizer Goalie Nikola Portner, der wie schon im Startspiel gegen Tschechien die Schweiz mit seinen Paraden im Spiel hielt.
Auch im Angriff trat die Schweiz im Vergleich zum 17:17 gegen Tschechien nun mit mehr Schwung und Durchschlagskraft auf. Sie brauchte nur 33 Minuten, um die gleiche Anzahl Tore zu erzielen wie gegen die Tschechen im gesamten Spiel. Gleichzeitig erreichten die Deutschen nicht ihr gewohntes Niveau, spielten fehlerhaft und fahrig. Doch eine Hürde meisterten die Schweizer nicht: Andreas Wolff.
Der machte die Schweizer Angriffsbemühungen regelmässig zunichte. Die Schweiz brachte die Flügelspieler zwar in aussichtsreiche Abschlusspositionen, doch die scheiterten an Wolff. Zum Beispiel Gino Steenaerts, der kürzlich einen Vertrag beim Bundesligaklub Rhein-Neckar Löwen unterschrieben hat. Der 19-Jährige vergab kurz vor der Pause innerhalb von zwei Minuten dreimal; Wolff parierte und parierte und parierte. Einmal tat er das, indem er seinen Fuss bis über den Kopf streckte. Das Publikum staunte.
Es waren Paraden wie diese, welche den Deutschen jeweils neuen Schwung verliehen. Mehrmals gaben die Schweizer einen Vorsprung von zwei, drei oder gar vier Toren her. In der Vergangenheit verloren sie in solchen Phasen gegen stärkere Gegner meist den Faden und das Spiel. Doch diesmal führte Deutschland erst in der Schlussphase die Entscheidung herbei, als den Schweizern einige Flüchtigkeitsfehler unterliefen. Den Rest erledigte Wolff, der auf eine Abwehrquote von 41 Prozent kam – ein Weltklassewert.
Es gab für die Schweiz nicht die befürchtete deutliche, sondern eine 29:31-Niederlage, bei der Nuancen den Unterschied machten. Der Schweizer Captain und Goalie Portner sagte deshalb: «Wir haben nicht wie die kleinen Schweizer gespielt. Ich bin stolz auf unsere Mannschaft.» Sein Team könne trotz Niederlage viel Positives in die Zukunft nehmen.
Die Schweizer spielen am Sonntag um 15 Uhr 30 gegen die punktgleichen Polen um den Einzug in die Hauptrunde.
2025-01-17T21:40:46Z